Habt Ihr schon einmal durchs (kurze) Lexikon hier gescrollt? Dort sind schon einige Begriffe genannt, die "Gin" als Bestandteil haben. Auch mich hat in der ersten Zeit diese Bezeichnungen ziemlich verwirrt, wenn mal Gin, mal Distilled Gin, Old Tom Gin, New Western Gin oder ähnliches auf dem Etikett stand. Und zugegeben, auch heute lässt mich so manche sprachliche Kreation fragend zurück, was ich letzte Woche anhand des Begriffs "Craft" ausgeführt habe. Heute möchte ich auf den Kern zurückgehen: Wann ist ein Gin wirklich ein Gin?
Ausgerechnet die Europäische Union bringt Licht ins Dunkel. Denn viele der oben genannten Begriffe sind aus Marketing-Gedanken heraus entstanden, manche haben sich aus guten Gründen im Volksmund etabliert oder sind dem Zufall zu verdanken. Oft haben sie keine klare Definition, jeder kann sie nach Gutdünken auslegen. Anders ist es da mit der klaren gesetzlichen Vorgabe der Europäischen Union: Gin wird klar definiert nach der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)Nr. 1576/89. Wer auf den Link klickt, kommt zum Wortlaut. Und weitere Ergänzungen finden sich in der Verordnung (EU) Nr. 98/2014 vom 3. Februar 2014. Und wer sich das mühsame Scrollen sparen will, sollte direkt zum Anhang II gehen, wo tatsächlich alle Spirituosen namentlich definiert sind.
Was also regelt diese Verordnung, hier der Original-Wortlaut:
Im weiteren folgenden noch Definitionen für Destillierten Gin und London Gin (die später ergänzt wurden), aber die entscheidenden Sätze sind gefallen: Mindestalkoholgehalt, Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs, also aus Korn, Kartoffeln etc. und – darauf will ich hinaus – der Wacholdergeschmack muss vorherrschend sein. Wer sich jetzt durch viele Sorten durchprobiert hat, sich die modischen Pink Gins, die Farbspielereien einiger Destillen und die Zutatenliste einmal genauer angeschaut hat: Ist wirklich bei allen Gins tatsächlich der Wacholdergeschmack vorherrschend?
Richtig, manchmal ist der Gin davon ziemlich weit entfernt. Auch ich bevorzuge fruchtige, florale Gins, aber sie sollten ganz im Sinne der Verordnung nie ihre Herkunft verleugnen. Streng genommen dürfte auf dem Etikett der Mode-"Gins" dieses Wort nicht stehen. Klar, in Zeiten von Corona gibt es andere Probleme, aber ich wage zu prophezeien: Bei dem Hype rund um Gin, der Vielzahl an Marken, die jeden Monat neu auf den Markt drängen, wird es irgendwann auch die Lebensmittelkontrolleure auf den Plan bringen, die diese eindeutigen Verstöße gegen europäisches Recht feststellen - und dann ahnden werden. Das ist kein Plädoyer gegen diese Erzeugnisse, die ihre Liebhaber finden, aber es ist ein Plädoyer dafür, dass ein Gin auch ein Gin bleiben sollte. In dem Sinne: Maßhalten mit Erzeugnissen, die den Wacholder nicht verleugnen und